Konflikte verschiedenster Form sind Teil unseres Lebens und prägen die einzelnen Lebensbereiche in unterschiedlicher Weise, heute wie in der Antike.

Auch der Sport ist in vielfältigen Formen mit Konflikten verknüpft. Eine niederschwellige, durch Regelwerk kanalisierte Form ist die Konkurrenz zwischen den gegeneinander antretenden Sportlern (um den Sieg), zwischen den einzelnen Staaten, deren Bürger an den Wettkämpfen beteiligt sind (um Sieger/Berühmtheiten) wie auch zwischen den Staaten, welche Festspiele ausrichten (um Attraktivität). Eine andere, verschärfte Form entsteht durch Regel-Bruch bei der Durchführung von Wettkämpfen und der Beanspruchung des Sieges.

Die jeweiligen Konflikte werden abgeschlossen und damit in gewissem Sinne ‚gelöst‘ durch die Erklärung eines Siegers. Diese Form einer ‚Lösung‘ wird auch auf andere Lebensbereiche übertragen, etwa wenn militärisch siegreiche Herrscher als Sieger in einem sportlichen Wettkampf visualisiert werden.

 

 

 

(Wie) funktionierten die olympischen Spiele, wenn Kriege um sie herum tobten, etwa während des Peloponnesischen Krieges (431 – 404 v. Chr.), einem der größten innergriechischen Kriege überhaupt? In die Zeit dieses Krieges fallen die 88. (428 v. Chr.) – 94. (404  v. Chr.) Olympischen Spiele. Grundsätzlich galt während dieser Festspiele die Ekecheiria, also ein Waffenstillstand, der eine friedliche Durchführung der Wettkämpfe nebst An- und Abreise sichern sollte. Die Aufsicht über die Festspiele und damit auch die Aufgabe, diese neutral zu halten lag bei dem griechischen Kleinstaat Elis – der allerdings selbst auf wechselnden Seiten am Krieg beteiligt war.

 

Losgelöst von Krieg und Kriegsparteien – und doch sich auf den Krieg auswirkend

Wie Delphi und Isthmia war Olympia ein Ort der Neutralität, an dem Friedensvereinbarungen geschlossen wurden, wie der sog. Nikias-Friede von 421 v. Chr. Gleichzeitig wurde die Ekecheiria zuweilen zweckentfremdet mit dem Ziel, das Kriegsgeschehen zu verändern: so wurden die Spiele von 428 v. Chr. verlängert, um potentielle Bündniswechsel kleinerer Staaten zu diskutieren.

 

Organisator der Spiele und gleichzeitig Kriegsteilnehmer: der Stadtstaat Elis

Elis lavierte zwischen den Kriegsparteien: während des ersten Jahrzehnts war es ein Verbündeter Spartas, doch als Sparta Aktionen gegen Elis unterstützte wendete sich dieses 421 v. Chr. Athen als neuem Bündnispartner zu. Auch dieses Bündnis zerbrach wieder, und zwar nach einer Niederlage gegen die Spartaner in der Schlacht von Mantineia (418 v. Chr.). Trotzdem blieben die Beziehungen zu Sparta weiterhin angespannt. So wurden von Elis hohe Zahlungen an Sparta gefordert. Als die Polis sich weigerte, wurde sie von Sparta zum Abtritt mehrerer Gebiete und auch zurück in ein Bündnis gezwungen.

 

Akzeptanz der Vorgaben trotz Empörung: ein Beispiel aus Sparta

Lichas von Sparta gewann 420 v. Chr. (90. Olympiade) das Wagenrennen mit Viergespann. Da allerdings Sparta in diesem Jahr von der Teilnahme an den Spielen ausgeschlossen war, hatte er sich als Bürger einer anderen Polis angemeldet. Doch als er die Ehrung persönlich entgegennehmen wollte, wurde er von den Richtern mit Rutenstreichen vertrieben - ein Eklat, der dazu beitrug, die Spannungen zwischen Elis und Sparta zu verschärfen. Der Fall verdeutlicht, dass die (Organisatoren der) Olympischen Spiele ihre Unabhängigkeit auch gegenüber einer wesentlich stärkeren Macht wahren konnten – denn Sparta hat bis zum Ende des Krieges keine Vergeltung für den Ausschluß verübt.

 

Die Bedeutung eines Sieges in Olympia: ein Beispiel aus Athen

Alkibiades von Athen nahm 416 v. Chr. (91. Olympiade) mit sieben Gespannen am Wagenrennen mit Viergespann teil und belegte mit diesen den ersten, zweiten und vierten Platz. Mit dem Sieg demonstrierte er Reichtum und Erfolg und unterstrich so auch seinen Anspruch auf eine Führungsposition, u.a. in militärischem Kontext. Ein Sieg in Olympia war auch in Zeiten des Krieges von so großer Bedeutung, dass er politische Entscheidungen beeinflussen konnte. Auch wenn Alkibiades auf ungewöhnliche Weise gewonnen hatte (Vielzahl der Gespanne), änderte das nichts an der Wirkmacht seines Sieges.

 

Die Olympischen Spiele konnten den Krieg nicht verhindern oder verkürzen, kreierten aber in regelmäßigen Abständen Zeitfenster, die frei von militärischer Auseinandersetzung waren.

Obwohl die Festspiele überparteilich sein sollten, wirkten sie sich zuweilen auf den Verlauf des Krieges aus – etwa wenn Elis die Neutralität der Spiele zu eigenen (Verhandlungs-) Zwecken nutzte oder Alkibiades den bei den Spielen erworbenen Ruhm bei Verfolgung seiner (militärischen) Ambitionen einsetzte. Sport war in solchen Fällen ein Instrument im Rahmen des Krieges.